Im Wirtshaus mit Harald Schmidt und Thomas Bernhard

Cover und Inhalt Harald Schmidt Thomas Bernhard Frittatensuppe Buch

In der Frittatensuppe feiert die Provinz ihre Triumphe: Mehr Worte bedarf es nicht, um die Tür zum Thomas-Bernhard-Kosmos aufzustoßen. Ein Zitat aus dem Bühnenstück Der Theatermacher, unverkennbar. Der Impresario Bruscon, hadernd mit sich selbst und seiner ramponierten Karriere auf der Bühne eines Dorfwirtshauses. Die Qualität einer Frittatensuppe beschwörend, weil da sonst nichts mehr ist, außer Lamento und Selbstmitleid. Das aber ostentativ und der lautstarken Verve des Gescheiterten, der sich die Niederlage niemals eingestehen würde. Also Wortfuror als gelinderes Mittel. Eine der maßgeblichen Thomas-Bernhard-Figuren.

Der Mittagstisch als Ort der Tragödie

Die direkte Tangente gleichermaßen zum Werk des Übertreibungskünstlers, das ohne Bezüge zur österreichischen Küche, vor allem der Wirtshausküche, nicht auszukommen scheint. Was das nun erschienene Buch In der Frittatensuppe feiert die Provinz ihre Triumphe (Brandstätter Verlag, 2022) ausgiebig dokumentiert. Denn nicht minder ausgiebig wird in den Romanen und Theaterstücken gespeist, die Nahrungsaufnahme zelebriert. Der Mittagstisch als Ort der Tragödie, nein, der zwischenmenschlichen Katastrophe, so hat ihn Bernhard in seinem Werk inszeniert.

Anlass genug, einmal Nachschau zu halten und uns auf die kulinarischen Spuren des Meisters zu begeben. Jene Orte und Gasthäuser zu besuchen, die er Zeit seines Lebens immer wieder aufgesucht hat, im Hausruckviertel, im Salzkammergut. Sein rund um den literaturhistorisch einschlägig bekannten Vierkanthof in Ohlsdorf gelegenes Habitat. Auch der Nestbeschmutzer hatte grundlegende Bedürfnisse: Nach einem guten Essen, nach Gesellschaft.

Ins Herz der österreichischen Wirtshausküche

So wie Harald Schmidt, der Entertainer, Showmaster, Chef-Zyniker, Thomas-Bernhard-Fan (als der er sich niemals bezeichnen würde), mit dem ich gemeinsam mit dem Fotografen Christopher Mavrič einen Roadtrip mitten ins Herz der oberösterreichischen Wirtshausküche machen durfte. Im Sommer 2021 war das, drei Tage unterwegs zwischen Sauerer Wurst, Tafelspitz und Schweinsbraten.

Der originale Mercedes von Thomas Bernhard war leider wieder defekt, wie schon damals, als ich den Automobilisten im Literaten für die Autorevue verortet habe. (Hier gehts zum Podcast zur Story.) Dafür aber war Harald Schmidt in Höchstform. Was für ein kurzweiliger, unterhaltsamer Kurztrip war das, drei Tage insgesamt, denen die Überraschungsmomente nie ausgingen. Getragen von der Erkenntnis, dass Schmidt trotz notorischer Etiketten (Dirty Harry) ein angenehmer, inspirierender Zeitgenosse ist. Vor allem im Umgang mit anderen Menschen.

Ein angenehmer Gast

Dieser Spirit hat sich, wie ich meine, auch auf meine Reportage und auf die kulinarische Spurensuche In der Frittatensuppe feiert die Provinz ihre Triumphe an sich übertragen, für das Schmidt gleich auch die Herausgeberschaft übernommen hat. Ein Buch, das sich nicht zu allzu ernst nimmt und so seinen Beitrag zur Entmystifizierung von Thomas Bernhard leistet. Denn der angeblich stets Abweisende war ein angenehmer Gast, sei es in Ohlsdorf beim Kirchenwirt oder beim Klinger in Gaspoltshofen.

Die Gesamtvermessung von Werk, Autor und Speisekarte gibts ab sofort und unter Aufbietung toller Autor:innen wie Katharina Seiser, Margarete Affenzeller oder David Schalko im Brandstätter Verlag zu erleben. Dazu auch Hinweise zu des Meisters Lieblingsspeise: der Knacker an sich.

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