Nun ist es fertig: „Weil es mich gibt“. Jenes Buch, an dem der Fotograf Christopher Mavrič und ich über zwei Jahre gearbeitet haben. 24 ältere Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung, ihr Leben, ihre Erfahrungen, ihre Arbeit und ihren Alltag sind in diesem Porträt-Band in Wort und Bild versammelt. (Mehr Informationen zu „Weil es mich gibt“, der Entstehungsgeschichte, den Hintergründen sowie der Fotoausstellung im GrazMuseum gibt es auf www.weilesmichgibt.at.)
Für mich als Autor war dieses Projekt in zweierlei Hinsicht wichtig: Zum einen habe ich eine einschlägige Vergangenheit, war, lange bevor ich Journalist wurde, Heilpädagogischer Betreuer in einen Wohnhaus der Lebenshilfe Braunau und habe danach Sonder- und Heilpädagogik studiert.
Diese Zeit, das Zusammenleben und -arbeiten mit Behinderten, prägt mich noch heute. Nicht zuletzt, weil die knapp zwei Jahre im Lebenshilfe-Wohnhaus für mich rückblickend eine der glücklichsten Phasen meines Lebens war.
Zum anderen da für mich aber auch die journalistische Herausforderung: Mich mit Menschen auseinanderzusetzen, deren Erzählungen sich nicht so einfach erschließen. Weil es für manche eben schwierig ist, sich zu artikulieren, für ihre Gedanken und Gefühle eine Form zu finden und mitunter sogar eine eigene Sprache entwickelt haben, um sich verständlich zu machen. Mehrere Stunden saßen wir mitunter beisammen, bis es mir irgendwann gelang, diese Codes zu entschlüsseln. Manchmal gelang es. Manchmal auch gar nicht.
Drei Monate war ich im Land unterwegs, an insgesamt 13 Orten, um diese Menschen zu treffen, mir von ihnen berichten zu lassen, wie es ist, in einer Zeit aufzuwachsen, in der es noch keine Institutionen wie eben die Lebenshilfe gab. Genauso wenig wie Ärzte mit heilpädagogischer Ausbildung. Die Betroffenen und deren Angehörige waren bei Fragen der Pflege und Betreuung – vor allem am flachen Land – meist auf sich allein gestellt.
„Weil es mich gibt“ erzählt anhand dieser Biographien also auch die Geschichte des Umgangs der österreichischen Gesellschaft mit Behinderten seit 1945. Wie es ist, als Knecht auf einem Bauernhof in der Einschicht versteckt zu werden, in eine Nervenheilanstalt abgeschoben zu werden oder als Küchenhilfe eine karge Existenz zu bestreiten.
Als Opfer der Zeitläufte wollte ich die Porträtierten dennoch nicht darstellen. Kein Betroffenheitsgestus. Keine Idealisierung. Kein Social Porn. Stattdessen habe ich versucht, diese Menschen in all ihrer außergewöhnlichen Normalität zu beschreiben und als eigene, individuelle Persönlichkeiten darzustellen.
Und es sind tatsächlich sehr starke Charaktere, auf die ich da traf. Menschen, die der Fotograf Christopher Mavrič losgelöst von Umfeld und Alltag sichtbar gemacht hat. Es waren seine Fotografien, die mich inspiriert haben, die Lebensgeschichten der Porträtierten aufzuzeichnen. Eine Idee, aus der ein Konzept und nun eben dieses Fotobuch entstanden ist: „Weil es mich gibt“.
Weil es mich gibt
Porträts von außergewöhnlichen Menschen
Mit Fotos von Christopher Mavrič und Texten von Stefan Schlögl
128 Seiten, 24 Euro, ISBN 978-3-99028-786-6, Verlag Bibliothek der Provinz 2018
Buchgestaltung: Alexander Kada, Konzept und Layout: Lisa Gaugl
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Ich bedanke mich bei den Lebenshilfen Soziale Dienste GmbH und allen teilnehmenden Lebenshilfe-Organisationen für die finanzielle Unterstützung dieses Projekts. Ein besonderer Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der verschiedenen Standorte für die harmonische Zusammenarbeit, ihre Hilfsbereitschaft bei der Recherche, ihre Gastfreundschaft, und für ihr großzügiges Vertrauen.
Vor allem bedanke ich mich bei jenen Menschen, die mich an ihrem Leben teilhaben lassen. Jenen Menschen, von denen dieses Buch erzählt. In all ihrer außergewöhnlichen Normalität.
Alle Fotos: © Christopher Mavrič