Es muss ein wenig wie bei „Mad Men“ gewesen sein, damals, im Jahr 1956. Nur dass Helmut Herz, Werbeleiter beim Wiener Hemdenhersteller Gloriette, in jenen Tagen eher nicht den Lifestyle von Don Draper pflegte. Aufgedoppelte Schuhsohlen, ein winziges Büro und eine in einem Aktenordner mit dem Buchstaben „K“ versteckte Kognakflasche waren die sehr bescheidenen Insignien eines Mitt-Zwanzigers – der es aber in Sachen Ideen, Kreativität ordentlich krachen ließ.
Fazit nach sechs Stunden in der kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung des 92-Jährigen: In der New Yorker Madison Avenue hätten sie einen wie Herz gut brauchen können.
1952 etwa gebar er eine Werbeidee, für die man heutzutage kurzerhand in Grund und Boden geklagt würde: Herz ließ aus einem Flugzeug dutzende Gloriette-Hemden über dem Prater-Stadion abwerfen – und zwar während der Halbzeitpause des Fußball-Länderspiels Österreich gegen England.
Zuvor jedoch führte der Reklamer gezielt Flugversuche mit den verpackten Oberteilen durch. Ergebnis der ersten Abwürfe vom Dach der Fabrik in Rudolfsheim-Fünfhaus: „Wenn das einer auf den Schädel bekommt, ist er hinüber.“ Also ließ Herz von den Näherinnen kleine Fallschirme anfertigen, die jedoch bei weiteren Tests vor allem eines zeigten: Die Dinger trudelten wie besoffen durch Rudolfsheim. Kein gezielter Abwurf möglich.
Ein Fabriksarbeiter war es, der Herz auf das perfekte Flugverhalten brachte: Die Fallschirme brauchen Löcher an der Oberseite, um die Luftzug zu kanalisieren. Gesagt getan: Die Schirme segelten elegant und punktgenau hienieder. Blöd nur: Es gab da ein Problem mit dem Flugzeug. Das war nämlich ein putziger Zweisitzer, rund um den einzigen Passagiersitz war bloß Platz für einige, wenige Oberteile.
Also ließ der Hemdenaviatiker den Flieger exakt ausmessen und ließ in der Fabrik ein maßstabgetreues Modellaus Sperrholz bauen, damit die Ware so platzsparend wie möglich untergebracht werden konnte. Um noch mehr Raum zu gewinnen, wurde schließlich der kleinste Gloriette-Arbeiter ausgewählt („Wir riefen alle zusammen und sagten: Freiwillige vor! Aber wenn ich ehrlich bin, war das gar kein Freiwilliger.“)
Dann kam der Tag des Ländermatchs im Prater. Das Gloriette-Flugzeug schwebte über dem Stadion ein – und plötzlich segelten Dutzende Hemden ins Oval. „Ein fantastisches Tamtam. Die Menschen stürmten sogar aufs Spielfeld, um die Packerl einzusammeln.“ Tags darauf beherrschte Helmut Herz die Schlagzeilen. „Es regnete Hemden vom Himmel“ titelte ein Blatt. Nur die kommunistische Volksstimme war weniger erbaut: „Hemdenfabrik stört Länderspiel„, lautete der linientreue Kommentar.
Heute wäre so eine Aktion schlicht unmöglich. Sicherheitsbedenken (das Totschlagargument unser Tage), die Uefa (bei der schon ein gelupftes Leiberl die Juristen in Marsch setzt), die Bedenkenträger, die ihren Neid mit Werte-Soße überdecken.
Wie auch immer – für Helmut Herz war die Sache noch lange nicht erledigt. 1956 lieferte der Reklame-Chef sein Meisterstück ab: Er erfand den Vatertag. Den hatte es zuvor in Österreich nicht gegeben. Wie das alles geschah, was es mit dem Vatertags-Komitee auf sich hatte und welch ominöse Rolle der Gründer der SOS-Kinderdörfer bei diesem Plan spielte, ist in diesem Porträt der Österreich-Ausgabe der ZEIT zu lesen.
Heute sorgt Helmut Herz jährlich für über 100 Millionen Euro Umsatz. Er selbst jedoch ging als Mindestpensionist in die Rente – was ihn genau gar nicht bekümmert: „Dass dieser Tag auch heute noch so gut funktioniert: Das ist meine größte Freude.“