Friedhof der Architektenfreunde.

Die pittoresk verschachtelten, von kleinen Innenhöfen aufgelockerten und an schmalen, gewundenen Gassen aufgefädelten Reihenhäuser der Gemeindebausiedlung „Lockerwiese“ in Wien Hietzing sind ein schönes Pars pro toto  für das, was sich wohl am besten als sozialdemokratisches Kleinbürgertum bezeichnen lässt. In der Zeit ihrer Entstehung, den Jahren 1928 bis 1932, war diese Siedlung nahe der Lainzer Grünoasen noch eine Revolution im sozialen Wohnbau. Eine Wohnlandschaft mit Bad, Küche, fließend Wasser stellten die Stadtväter ihren braven Proletariern mitten auf die grüne Wiese.

Mitten hinein zudem in einen von noblen Stadtvillen, Jagdschlösschen und von riesigen Gärten eingefriedeten Wochenendhäuschen geprägten Winkel der Stadt, in dem es sich damals, wenige Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs, ehemalige Hofschranzen, diverse Großbürger-Dynastien und einige Neureiche gediegen und vor allem beschaulich eingerichtet hatten.

Friedhof der Architektenfreunde

Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen die Siedlervereine, Kleinhäusler und ein paar gesichtslose Wohnquader hinzu. Auf dem Küniglberg wurde ein Raumschiff abgeworfen. Heute sind die ehemals armseligen Häuschen in dicke Dämmplatten eingepackt, mit Geschmack und weniger Geschmack renoviert. Selbstbewusst sitzen sie in viel zu kleinen Gärten. Wie dicke Wänste, die über stramm gezogene Gürtel wuchern. Die Dachfirste sind angehoben, die Dachböden ausgebaut, Carports und Pools installiert. Manch Konstruktion, die in den Himmel kragt: ein Mahnmahl am Friedhof der Architektenfreunde.

Nirgendwo in Wien sind die Bewohner älter, nirgendwo gibt es mehr Pflege- und Altenheime. Kaum irgendwo in der Donaustadt ist der sogenannte Ausländeranteil geringer – die diesbezügliche Statistik führen deutsche Staatsbürger an. Bezeichnenderweise. Ordentlich ist es hier, in diesem hermetisch abgeschotteten Revier. Sehr ordentlich. Auch sehr sauber. Berechenbar. Ruhig. In ein paar Jahren hängen sie hier statt Kronenzeitung-Taschen Defibrillatoren auf.

Widerständler in der Friedensstadt

Eine Entdeckung gab es in der Friedensstadt, nahe des Lainzer Tiergartens, dennoch zu machen. Mitten in der akkurat-geschniegelten Einfamlienhaus-Enklave: Ein morsches Häuschen, das sein marodes Dach keck über einen Lattenzaun reckte. Vis a vis eine altersschwarze Scheune. Der Pfad dazwischen: Von kahlen Stauden zugewachsen. Im Garten: riesige, knorrige Bäume. Und auf einem Platz längs der Scheune: ein von Flugrost zusammen gehaltener, in einem Bett aus wucherndem Gestrüpp ruhender Opel Kapitän. Bizarr, verwunschen, irgendwie trotzig sieht dieser Flecken inmitten gutbürgerlicher Häuslichkeit aus. Als hätte da einer vor vierzig, fünfzig Jahren zum letzten Mal den Schlüssel umgedreht, ihn abgezogen und einfach weggeworfen. Dann ist er fort gegangen. Fort in ein anderes Leben.

Fortsetzung folgt.

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