Mit DJ Herbert im Tanzcafé Melodie

Er ist der Mann für die Rhythmen abseits von Konsens-Mucke, erhöhter Dutt-Dichte und Craft-Beer-Abzocke: DJ Herbert. Sein Refugium ist das Tanzcafé Melodie in der Salzburger Rainerstraße. Viel Kirschholzfurnier, gnädig gedimmte Messingleuchter, eine gut sortierte, voll verspiegelte Bar. 

Dort, am Rand des Bahnhofsviertels, wo sich Kebap-Buden, Glatzen-Lokale, Istanbul-Modeshops und Zockerbeisln aneinander reihen, hält der Diskjockey mit einem gut abgehangenen Schlager- und Disco-Potpourrie eine Institution des Salzburger Nachtlebens am Brodeln. Von „Atemlos“ über „Dschingis Khan“ bis zu „Griechischer Wein“ haut er routiniert die Klassiker der „guten Unterhaltung“ raus. Bis vier Uhr in der Früh gibt es hier kein Morgen. Herbert ist einer langen Tradition verpflichtet – schließlich wird in dem Ecklokal  seit 60 Jahren aufgetanzt. Der große Udo Jürgens hat hier 1955 – so geht die Legende – das erste Mal Bühnenluft geschnuppert und das Haus zur Weihestätte nobilitiert.

Heute ist das Tanzcafé Melodie erste Anlaufstelle für „reifere Semester“, für die das Festspiel-Brimborium ungefähr so weit weg ist, wie das offizielle Österreich von einer menschenwürdigen Flüchtlingspolitik. „Vor dem Fernseher werd ich nur deppat“, sagt Frau Marianne – und wie auf ein Stichwort zieht es die Pensionistin aus Anif Richtung Tanzfläche. DJ Herbert lockt mit flockigem Latin-Disco-Pop. Fox-Time!

Radikale Verjüngungskur

Draußen hat es zur mitternächtlichen Stunde noch immer dreißig Grad, im Melodie deutlich mehr – dennoch werden auf der Tanzfläche unverdrossen Hüften geschwungen. Frau Marianne verjüngt sich an der Seite eines weißgewandeten Gigolos um mindestens 30 Jahre, was wohl dem tatsächlichen Alter ihres Tanzpartners entspricht. Ihre Begleiterin, die an der Budel zurück geblieben ist, bringt unterdessen die Bedeutung des Tanzcafés Melodie auf den Punkt: „Wo sollen wir Älteren denn sonst hingehen, wenn wir tanzen wollen? Gibt ja nix mehr.“

Immer mehr Nachteulen, Kiebitze und Flaneure hängen sich mittlerweile an der Bar ein. Vom einsamen Wolf, der sich hinter seinem Bierglas verschanzt, bis zu den obligaten Schmähbrüdern ist  an illustrem Publikum kein Mangel. Frau Brigitte, die Chefin, kennt ihre Kundschaft. Mit einer Art mildtätiger Strenge hat sie ihr Herrschaftsgebiet im Griff. Wer Probleme macht, wird mit Ignoranz bestraft – oder von Manfred abgekühlt. Manfred, der in Wahrheit anders heißt, ist Stammgast und so etwas wie die gute Seele.

Gescheiterter Grenzverkehr

Der Mann hat einiges erlebt, war in der Fremdenlegion, desertierte, wurde auf der Flucht an der italienischen Grenze geschnappt. Das Auto war eher nicht sein eigenes und die Puffn in der Hosentasche kam bei den Zöllnern auch nicht besonders gut an. „Blöd g’laufn“. Aber das ist Jahrzehnte her, heute ist Manfred vor allem begnadeter Tänzer, Charmeur und verständnisvoller Gesprächspartner. Frauen mögen ihn.

Das „Melodie“ vibriert auch jetzt noch, um drei Uhr morgens, dank DJ Herbert. Marianne Rosenberg, Costa Cordalis, Howard „Howie“ Carpendale – der Mann hinter den Reglern lässt sie alle auferstehen, die Sehnsuchtsschmonzetten und damit den Soundtrack eines längst vergangenen Glücks, das an diesem Abend zum Greifen nah ist. Hier, im Tanzcafé Melodie, einem der Letzten seiner Art.

***

Die Fotos im Tanzcafé Melodie waren quasi meine nächtliche Fleißaufgabe zu jener Projektarbeit, die im Rahmen des 20. Fotosommer Salzburg entstanden sind. (Hier geht’s zu den Bildern). Kursleiterin des vom Kuratorium für Journalistenausbildung veranstalteten Seminars war Sara Naomi Lewkowicz. Auf den Bildern unschwer zu erkennen: Es war finster – was den Sensor der Kamera zum Glühen und den Autofocus zum Erlahmen brachte. Blitzlicht war aus naheliegenden Gründen weniger gefragt. Technisch sind die Fotos also am Limit, dass ich an den Aufnahmen zum ersten Mal meine frisch angelernten Lightroom-Kenntnisse angewendet habe, macht sie nur mäßig besser. Es handelt sich also um Stimmungsbilder.

Ich bedanke mich bei Chefin Brigitte Tilki, dass sie mich in ihr wunderbares Tanzcafé eingelassen hat, beim famosen DJ Herbert Lagger und bei allen Gästen, die ich mit meinen Fotografieranfragen penetriert habe. Es war ein schöner, lehrreicher Abend.

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