Kabarett ist grundsätzlich eine Frage der Aussprache. Wird dieses schöne Wort, wie in Deutschland üblich, wie der Befehl zu einer Panzerattacke ausgesprochen (Kabba-RETT!), ist bei mir rasch Schluss mit lustig. Die österreichische, aus dem Französischen angelehnte Aussprache (Kaba-reh), trifft meine Vorstellung von dieser Kleinkunstgattung schon eher, schwingt doch in dieser Lautmalerei viel von dem mit, was gutes Kabarett ausmachen sollte: Hintersinnigkeit, Wortwitz, der aufrechte Wille, dem Publikum seine Marotten, Schwächen und Vorurteile nicht frontal, sondern gepflegt von hinten herum hineinzuapplizieren. Falls dem nicht so ist, handelt sich entweder um einen „Comedian“ oder um ein Großgruppen-Coaching in einer burgenländischen Wellness-Therme.
Erschwerend kommt hinzu, dass ich kein Kabarett-Fan bin. Da gibt es vor allem am hiesigen Markt zu viele Akteure, die Kritik mit Zynismus, Wortwitz mit Kalauern und Klugheit mit Besserwisserei verwechseln. Zudem habe ich mit dem Publikum irgendwie meine Probleme. Ist es die hohe Dichte an ergrauten Bio-Resonanzkörpern? Die Masse an professionellen Pointen-Detektoren mit eingebauter Schenkelklopfer-Automatik? Die Menge an betont lockeren DeutschlehrerInnen, die unliebsame Schüler gezielt von der Schule zu lächeln vermögen? Nun. Ich werde unfair. Also zurück zu einem sehr ersprießlichen Abend im Stadtsaal, zu dem ich von meiner Begleitung erfreulicherweise eingeladen, aber nicht genötigt wurde.
Die bayrische Kabarettistin Martina Schwarzmann brachte am vergangenen Donnerstag ihr Programm „Wer Glück hat kommt“ mit nach Wien. Der Saal: so gut wie voll. Die Künstlerin: mir ziemlich unbekannt. Erst als ich draußen vor dem Eingang das Plakat sah, kamen ein paar Erinnerungen hoch. Und die waren angenehm. Schwarzmann spielt das, was sie ist. Eine Bauerstochter, die nahe Dachau am flachen Land aufgewachsen, sehr, sehr bodenständig, aber auch blitzgscheit und mit einem feinen Mutterwitz ausgestattet ist.
Ihre nähere Umgebung – Erlebnisse beim Greißler, sturschädlige Bauern, die Tierwelt an sich – sind für die 33-Jährige die Folie für ihre Weltbetrachtungen. Von der bösartig-lautstarken Anklage bis hin zur melancholischen Reflektion – Schwarzmann beherrscht ihren Stoff. Faszinierend: wie geerdet, ausgeruht die Frau wirkt. Wunderbar: jede Verleugnung von Political Correctness. Da wird eitelärschigen Radfahrern nicht unbedingt das Beste gewünscht und infantilen Kinder-im-Kinderwagenbegrapschern das letzte Liedlein gesungen. Apropos: gern greift Frau Schwarzmann zur Gitarre. Dennoch herrscht kein Gesangseinlagen-Alarm. Stattdessen gibt’s bezaubernde Couplets und am Ende einen verzückten Stadtsaal.
Die volle Punktzahl für mich ganz persönlich, weil die aus dem Epizentrum des Bajuwarischen gebürtige Frau, einen herrlichen, saftigen, g’schmackigen bayrischen Dialekt zum Besten gibt. So lang nicht mehr gehört, schöne Reminiszenz. In diesem ganz konkreten Fall gilt also tatsächlich: Kabarett ist eine Frage der Aussprache.